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Pressebericht

Fessenheim

Badische Zeitung vom Samstag, 14. April 2007

"Ich erlebe eine große Offenheit"
BZ-INTERVIEW mit Wolfgang Schanz aus Au, Teilnehmer der Überwachungskommission CLS für das Kernkraftwerk Fessenheim

Bildunterschrift

Das Kernkraftwerk Fessenheim im Elsass

(FOTO: BRIGITTE SASSE)

AU. Wolfgang Schanz, 49, Gemeinderat aus Au und Stellvertreter von Bürgermeister Jörg Kindel, vertritt die Gemeinden aus dem Sprengel Schönberg/Hexental in der Überwachungskommission für das Kernkraftwerk Fessenheim (Commission locale des surveillance/CLS). Im Gespräch mit BZ-Mitarbeiterin Silvia Faller zeigt er sich beeindruckt von der Offenheit der französischen Gesprächspartner und berichtet davon, dass nicht zuletzt kritisches Hinterfragen eine Erhöhung der Sicherheitsstandards bewirkt hat.

BZ: Herr Schanz, wer ist die CLS?

Schanz: Die Kommission besteht seit 2004. In ihr sitzen Vertreter von elsässischen und deutschen Kommunen, Behörden und Umweltverbänden sowie Fachleute aus der Schweiz den Managern, Ingenieuren und Sicherheitstechnikern der EdF (Electricité de France), der Betreiberin des Kraftwerks gegenüber. Präsident ist der Bürgermeister von Ribeauvillee, Pierre Schmitt. Er ist ein erklärter Atomkraftgegner und erfahrener Umweltaktivist.

Er war unter den Demonstranten gegen das Kernkraftwerk Wyhl.

BZ: Was haben Sie bisher für einen Eindruck?

Schanz: Bisher ging es im Wesentlichen darum, wie die Sicherheitsstandards transparent und noch verbessert werden können Die Vertreter der EdF und die Mitarbeiter des Kernkraftwerks beantworten alle Fragen gelassen und sachlich. Ich erlebe eine große Offenheit von französischer Seite, was ich so nicht erwartet hatte.

BZ: Warum nicht?

Schanz: Ich habe immer Kritiklosigkeit und Verharmlosung auf französischer Seite wahrgenommen. Die Haltung vieler Franzosen hat sich offenbar gewandelt, wobei sie mehrheitlich die Kernkraft an sich nicht in Frage stellen. Selbst Pierre Schmitt sieht sie als unabdingbar an, derzeit die Energieversorgung sicherzustellen. Die Politiker und Kraftwerksbetreiber sehen den möglichen Gefahren jedoch ins Auge und nehmen die Ängste der Bürger ernst. Bei der Katastrophe von Tschernobyl hatten die Elsässer ja noch gedacht, die nukleare Wolke mache am Rhein halt und das Ganze gehe sie nichts an, erzählte Schmitt. Heute fragen die Leute in den Dörfern rund um Fessenheim nach, was sich natürlich auch in den politischen Gremien niederschlägt.

Wolfgang Schanz
(FOTO: SILVIA FALLER)

BZ: Das hört sich alles gut an. Kritiker sagen, die Sitzungen der CLS sind nur Augenwischerei, um die Fragenden ruhig zu stellen.

Schanz: Dem widerspreche ich. Pierre Schmitt hat zwei Atomphysiker aus der Schweiz dazu eingeladen. Diese beiden Leute können den EdF-Vertretern kompetent Fragen stellen. Von ihnen wissen wir auch, dass in der Schweiz überhaupt keine Informationen aus den dortigen Kernkraftwerken nach außen dringen. Eine schweizerische CLS wäre also undenkbar. Und auch in Deutschland ist mir keine vergleichbare Kommission in der Umgebung eines Kernkraftwerks bekannt. Ich bin überhaupt überrascht über das Niveau der Kontroll- und Sicherheitsstandards in Frankreich. Die Franzosen sind in meinen Augen auch weiter als wir bei den Plänen für den Katastrophenfall. Die einzelnen Bürger wissen was zu tun ist und haben beispielsweise Jodtabletten bei sich zu Hause. Bei uns liegen die in kommunalen Vorratsstellen.

BZ: Haben Sie schon Fragen gestellt?

Schanz: Ja, ich hakte nach bei der Information, dass menschliches Verhalten 84 Prozent der Abweichungen und Störfälle bewirkt. Ich wollte wissen, was die Kraftwerksleitung dagegen unternimmt.

BZ: Und was tut sie dagegen?

Schanz: Die zeitlichen Intervalle der Kontrollgänge wurden erhöht. Auch sind wechselnde Teams unterwegs, damit immer wieder andere Augen auf die Anlagen schauen.

BZ: Die CDU, der Sie angehören, bejaht die Kernkraft im Grundsatz und stellt den Ausstiegsplan der vorherigen Bundesregierung in Frage. Wie ist Ihre Einstellung?

Schanz: Ich lehne die Atomkraft der Gefährlichkeit wegen ab. Es wird immer mit dem Bedarf und der Klimafreundlichkeit argumentiert. Beim Bau meines Hauses habe ich erfahren, in welch hohem Maß sich Energie einsparen und regenerative Energien nutzen lassen. Hier liegt für mich die Zukunft.

BZ: Sehen Sie einen Sinn darin, dem Trinationalen Atomschutzverband beizutreten?

Schanz: Nein. Der trinationale Atomschutzverband, kurz "Tras", bereitet eine Klage gegen den Weiterbetrieb des KKW Fessenheim vor. 2009 läuft ja die bisherige Betriebsgenehmigung aus. Aber es gibt noch andere Kraftwerke jenseits des Rheins und würde die Anlage Fessenheim geschlossen, würde die EdF ein neues Atomkraftwerk bauen. Ich sehe größere Chancen auf mehr Information und Sicherheit, wenn wir mit den Franzosen sprechen und nicht auf Konfrontation gehen. Sie wollen das ja auch, bei der nächsten Zusammenkunft sogar auf deutscher Seite. Darin sehe ich ein großes Entgegenkommen.

BZ: Aber das Kernkraftwerk Fessenheim ist eins der ältesten Kraftwerke in Frankreich. Und offenbar gibt es nicht gerade wenig Störungen.

Schanz: Hier muss man differenzieren. Anders als die deutschen Kraftwerksbetreiber meldet die EdF den Behörden jede erdenkliche Abweichung und nicht nur die eigentlichen sicherheitsrelevanten Störungen.

BZ: Dann können die Menschen in den Dörfern rund um den Schönberg also beruhigt einschlafen?

Schanz: So würde ich es nicht sagen. Jedes Kernkraftwerk birgt Gefahren. Aber sie können darauf vertrauen, dass die deutschen Behörden genauso schnell wie die französischen von einem Störfall erfahren und entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten können. Möglich, dass wir in zwei Jahren nicht mehr über einen Weiterbetrieb reden. Finanziert durch das Interreg-III-Programm der Europäischen Union wird derzeit eine Studie zur Erdbebensicherheit erstellt. Möglich, dass sich daraus Argumente ergeben, die einen Weiterbetrieb des Kernkraftwerks in Frage stellen.

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