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Fessenheim

Badische Zeitung vom Mittwoch, 29. September 2004

Es gab genügend Kraftreserven
FESSENHEIM - Zu: "Schaltzentrale brennt, Reaktor geht vom Netz", Agenturbeitrag (Land und Region, 17. September):

Viele werden sich gefragt haben, was wohl passiert wäre, wenn die Abschaltautomatik der Fessenheimer Reaktoren am letzten Mittwoch nicht funktioniert hätte, aus Ursachen, die ebenso unbekannt sind wie die, die zum 30-minütigen Brand in der Schaltzentrale geführt haben. Nun ist erfreulicherweise einer der beiden 900 MW-Reaktoren vom Netz gegangen und - das wird die Feinde der Windenergie interessieren - weil Reservekraftwerke binnen Minuten die weggebrochene Leistung von 900 MW bereitgestellt haben, war die Netzstabilität offenbar gewährleistet. Erst Anfang August hat im bayrischen Atomkraftwerk Gundremmingen eine Panne dazu geführt, dass ein Sechstel des bayrischen Strombedarfs von Reservekraftwerken erzeugt wurde. 

Verfolgen wir die lange Liste der Pannen in Atomkraftwerken innerhalb des europäischen Verbundnetzes, so wird bald klar, dass von einem Zubau von Schattenkraftwerken extra für die Windenergie keine Rede sein kann. Im Gegensatz zu den Pannen in Atomkraftwerken, die zwar mit penetranter Regelmäßigkeit auftreten, aber keinesfalls vorhersagbar sind, sind die Schwankungen bei der Windstromproduktion sehr wohl prognostizierbar. 

Das Institut für solare Energieversorgungstechnik an der Uni Kassel hat mit E.ON-Netz ein Wind-Prognose-System entwickelt, das ständig verbessert wird und das die zu erwartende Windleistung im mittelfristigen Prognosehorizont (Minuten bis einige Stunden) mit einem Fehler von 8,5 Prozent prognostiziert. Bei der derzeit installierten Leistung von 15 320 MW wären das 1302 MW Regelkapazität. Wenn beide Fessenheimer Blöcke mit je 900 MW abgeschaltet werden, wären schon 1800 MW Regelkapazität notwendig.

Wie ernst das Geschrei nach den Reservekraftwerken zu nehmen ist, die extra für die Windkraft nötig sind, wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass infolge des Fotovoltaik-Booms inzwischen die ersten Rufe nach Schattenkraftwerken (!) laut werden, weil ja der Himmel schließlich mal bewölkt sein kann. Trotz des Booms stellt die Fotovoltaik gerade 0,05 Prozent des Bundesdeutschen Stromverbrauchs (bei 6,5 Prozent Windstrom). Solche Reaktionen machen das Anti-Wind-Geschrei extrem durchsichtig. Schöner kann man sich selbst kaum disqualifizieren. 

Dr. Eva Stegen, Freiburg

 © 2004 Badische Zeitung